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Beitrag vom 21.05.2010
Königin im Ring - Regie Simone Jung. Kinostart: 03. Juni 2010
Marie Heidingsfelder
Zwölf Jahre ungeschlagene Weltmeisterin - wer an Frauenboxen denkt, denkt an Regina Halmich, spätestens seit ihrem Showkampf mit Stefan Raab 2001. Hinter dem Blitzlichtgewitter der Medien...
...und der harten Fassade des Boxsports, gelingt Regisseurin Simone Jung in ihrem Kinodebüt ein einfühlsames Portrait über die "Königin im Ring".
"Frauen müssen doppelt so gut sein wie Männer, um die gleiche Anerkennung zu bekommen." Dieses Statement von Regina Halmich lässt ahnen, welche Schwierigkeiten sie auf ihrem Weg bewältigen musste, um sich selbst und das Frauenboxen aus der "Schmuddelecke" in die öffentliche und mediale Anerkennung zu holen.
Gemeinsam mit ihrem Kameramann Kai Wiehagen dokumentiert Simone Jung nicht nur die einzigartige Karriere, das harte Training und die Kämpfe, sondern gibt auch einen sehr privaten Einblick in die Kindheit, die Familie und das private Umfeld. Mitten aus dem Kinosaal fühlt man sich als BetrachterIn plötzlich nach Karlsruhe versetzt, in das beschauliche Wohnzimmer von Vater und Mutter Halmich: Man spürt den Stolz vor den Ordnern mit Zeitungsausschnitten und die Angst um "ihre Regina", wenn sie während der Kämpfe den Fernseher ausschalten.
Darüber hinaus bekommt man einen Einblick in den Alltag, die karge Realität der Trainingslager und das emotionale Auf und Ab zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen Konzentration und Medienrummel.
Trotz aller Einfühlsamkeit verliert der Film über den deutschen American Dream von der Rechtsanwaltsgehilfin zur Weltmeisterin an keiner Stelle die Spannung. Das liegt einerseits an der Erzählstruktur, denn der Film startet am Abend ihres letzten Kampfes und nimmt immer wieder den Pulsschlag der letzten Vorbereitungen auf. Andererseits liegt es an der in Rückblenden und Interviews erzählten Geschichte selbst, die sich als ständiger, leidenschaftlich geführter Kampf mit sich selbst, ihrer Familie und den Medien erweist. Man spürt die Kränkung von damals, als der jungen Rechtsanwaltsgehilfin unterstellt wurde, sie habe einfach nichts Anständiges gelernt" und die Demütigung, als sie sich, blutig zerschlagen, nach der ersten und einzigen Niederlage in Las Vegas dem Blitzlicht der Fotografen stellen mußte. "Regina ist immer nur gerannt, nie langsam gelaufen", erzählt Vater Halmich. Mit dieser Energie, Disziplin und dem ungeheuren Selbstbewusstsein ist sie Wände einfach eingelaufen.
Auch ohne Begeisterung für den Boxsport kann man das Mitfiebern kaum verhindern: Der Puls hebt sich, die Konzentration steigt und plötzlich versteht man diesen anderen Blick, der in Regina Halmichs Augen tritt. Im Ring gibt es nur "Du oder ich", aufgefressen werden oder und den anderen fressen" So die Frau, die bei öffentlichen Auftritten immer ihre Weiblichkeit betont und 2003 für den Playboy posierte. Simone Jung schafft es, diese scheinbare Spannung zwischen der hübschen blonden Familienfrau und der aggressiven Zerstörerin aufzulösen. Regina Halmich ist nicht schizophren gespalten zwischen den geflochtenen Zöpfen der Ringfrisur und dem Glätteisen vor Talk-Show-Auftritten, sondern vereint beides mit der gleichen Energie, dem gleichen Anspruch und der gleichen Disziplin.
Dennoch musste sie sich in ihrer Karriere nicht nur als Sportlerin, sondern auch als Frau immer wieder beweisen: In der bis dato reinen Männerdomäne meisterte sie den Balanceakt, sich einerseits durchzusetzen und andererseits als Frau anerkannt zu werden. Diese Fähigkeit ist nicht nur auf sie und den Sport beschränkt, sondern betrifft viele Frauen, die sich von traditionellen Rollenbildern lösen. Daher ist für die Regisseurin nicht das Milieu entscheidend, sondern der Weg einer Frau, die mit bedingungsloser Faszination und Selbstbehauptungstrieb ihren Weg geht, immer nach dem Motto: "Man kommt immer an einen Punkt, an dem man nicht mehr kann. Der Kampf besteht darin, über die eigenen Grenzen zu gehen."
AVIVA-Tipp: "Königin im Ring" ist nicht nur ein gleichermaßen einfühlsames wie mitreißendes Portrait, sondern zeigt anhand einer beispiellosen Karriere auch eindrucksvoll das Zusammenspiel von Gesellschaft und Medien. Regina Halmich erkämpft sich ihren Weg, als Sportlerin und als Frau.
Zur Regisseurin: Simone Jung wurde 1967 in Karlsruhe geboren, dem Ort, aus dem auch Regina Halmich stammt. Bereits während ihres Studiums in Germanistik, Philosophie und Psychoanalyse sammelte sie journalistische Erfahrungen und arbeitet seit 1998 als freie Autorin und Regisseurin. Ihre erste Doku "Kaufhaus M. Schneider" wurde 1999 auf dem Hessischen Rundfunk gesendet, seitdem dreht sie regelmäßig für regionale und nationale Fernsehsender. Für ihren ersten Kinofilm "Königin im Ring" gewann Simone Jung 2008 den Hessischen Filmpreis in der Kategorie "Dokumentarfilm.
Königin im Ring
Deutschland 2008
Buch und Regie: Simone Jung
Kamera: Kai Wiehagen
PROGRESS Film-Verleih, www.progress-film.de
Lauflänge: 90 Minuten
Kinostart: 03. Juni 2010
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"Die Kraft ist weiblich" von Regina Halmich
"Die Boxerin", 2006 Regie: Catharina Deus
Weitere Infos zu Regina Halmich finden Sie unter:
www.regina-halmich.org